Reihenhäuser Harz- und Eifelstraße
Frühjahr und Sommer 1972 (Foto Wenger)
Die Siedlungsgeschichte der Oberilp
Von Gerhard Bechthold
Teil 3: Die Eigenheim-Bebauung von Oberilp-Nord 1971-1974
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Der Bebauungsplan Nr. 14 "Oberilp-Nord" entstand wenige Monate
zeitversetzt zum Bebauungsplan Oberilp-Süd. Am 5.10.1966 fasste der Rat der Stadt Heiligenhaus den
Aufstellungsbeschluss. Nach Durchlauf der vorgeschriebenen Beratungsphase wurde der Plan am 4.10.1967 als
Satzung beschlossen. Am 30.9.1968 trat der Bebaungsplan Nr. 14 in Kraft. Er legte das Baugebiet Oberilp-Nord
als reines Wohngebiet mit einer einheitlich 2-geschossigen Bauweise von insgesamt 129 Einfami- lienhäusern
fest. Abweichend zur heutigen Bebauung fallen zwei markante Planungsvorgaben auf. An der 10 m breiten
Harzstraße und an der Rhönstraße, die im Plan auch noch als Harzstraße ausgewiesen war,
waren keine Häuser vorgesehen! Die Häuser sollten ausschließlich an den von West nach Ost
verlaufenden Eifelweg, Spessartweg, Rhönweg, Taunusweg und an der Grubenstraße gebaut werden. Die
4 Wege waren als Straßen mit 6 m Breite und am westlichen Ende als Stichstraße geplant. Alle
Häuser sollten mit dem Auto erreichbar sein. Für die 12 m breite Grubenstraße war eine
Anbindung an die als L 425 neu zu trassierende Ruhrstraße eingezeichnet. Die
Fußgängerbrücke, die Einfamilienhaus-Bebauung an der Nordseite der Grubenstraße sowie
der Bolzplatz an der Giesenhofstraße waren nicht im Plan ent- halten.
Dies war der genehmigte Bebauungsplan, doch vermutlich zum Leid- wesen der Stadt tat sich vorläufig nichts.
Die Gemeinschaft Döhring-Jung-Weitzell hatte zwar schon im April 1966 einen Kaufvertrag für das
Grundstück abgeschlossen, war jedoch offenbar mit der Mehrgeschoss- bebauung von Oberilp-Süd
überfordert. Der Kaufpreis wurde von der Gemeinschaft nicht bezahlt und wahrscheinlich auch noch keine
Detailplanung eingeleitet. Das Baugebiet Oberilp-Nord erwachte erst aus seinem Dornröschenschlaf, als
im Februar 1970 die Wohnungsbau- gesellschaft David KG, Homberg Ndrrh., eine Tochter der KUN-BAU Gmbh., Homberg,
das Gelände erwarb und den von ihr eingeschalteten Düsseldorfer Architekten Dipl Ing. Herbert
Kohlhoff mit der Detail- planung beauftragte.
Änderung des Bebauungsplans
Der Hanglage angepasst entwarf Architekt Kohlhoff fünf
leicht abge- wandelte Haustypen in Massivbauweise, teilunterkellert, mit einge- bauter oder getrennter Garage
sowie leicht geneigtem Flachdach (ca. 6°). Unter dem Titel "In Heiligenhaus Wohnen am Hang - begehrter Ruhepol
für die ganze Familie im Schnittpunkt der großen Stadt- zentren" plante er insgesamt 111 Eigenheime,
allerdings in einer gegenüber dem genehmigten Bebauungsplan deutlich geänderten An- ordnung. Die
Häuser sollten an den Straßen Harz-, Eifel-, Spessart, Gruben- und Rhönstraße sowie an
den für PKW nicht befahrbaren, als Stichstraße ausgelegten schmalen Fußwegen Schwarzwald-,
Oden- wald-, Westerwald-, Steigerwald- und Taunusweg liegen. Zwischen Harz- und Spessartstraße war
außerdem ein breiterer Grünzug geplant. David KG und Kohlhoff überzeugten die
städtischen Gremien, dass der Straßenbauaufwand nach dem eigentlichen Bebauungsplan, wonach
jedes einzelne Haus über eine mindestes 6 m breite ausgebaute Straße erreichbar sein sollte,
zu groß sei. Die Stadt folgte dem Vorschlag und genehmigte im Eilverfahren die entsprechende Änderung
gegenüber dem B-Plan. Die geplante Anbindung der Gruben- an die Ruhrstraße war kein
Gesprächsgegenstand. Sie blieb Teil des B-Plans. Die Stadt und David KG unterzeichneten den
Erschließungsvertrag, dem Baube- ginn stand endlich nichts mehr im Weg!
1971 begannen die Arbeiten im Baugebiet Oberilp-Nord. Die David KG war als Bauträger für
sämtliche Baumaßnahmen von umfangreichen Erdbewegungen, Erschließungsarbeiten und Bau
der Häuser zuständig. Architekt Herbert Kohlhoff als verantwortlicher Planer koordinierte und
beaufsichtigte die Arbeiten durch seine tägliche Präsenz im Baugebiet. Die Firma Immobilien-
Verwaltungs und Finanzierungsgesellschaft Jendrossek, wie David KG ein Unternehmen des KUN-Konzerns, befasste
sich für die David KG mit dem Verkauf der Eigenheime zu Festpreisen einschließlich
Erschließung. Die Fertigstellung sollte in mehreren Bauabschnitten erfolgen. Der 1. Bauabschnitt
umfasste die Häuser westlich der Harzstraße in den Stichstraßen Schwarzwald-, Odenwald-,
Westerwald-, Steigerwaldweg und an der Grubenstraße. Sie wurden überwiegend in den Monaten
März bis Juli 1972 bezogen. Im 2. Bauabschnitt wurden bis Ende 1972 die Häuser an der
Harzstraße und überwiegend in der ersten Jahreshälfte 1973 die Häuser Spessartstraße
mit ungeraden Hausnummern bezogen. Beide Bauabschnitte umfassten etwa 63 Häuser. Die restlichen ca. 47
Häuser waren noch in einem unterschiedlichen Baustadium, als am 3. Juli 1973 die KUN-Gruppe Konkurs
anmeldete, der am 13. Juli 1973 auch die David KG erfasste. Die 47 David-Baustellen gingen in die Konkurs- masse.
Der KUN-Konkurs
Der 680-Millionen-DM-Konkurs der niederrheinischen Baufirma mit
allen ihren Tochterunternehmen (Jahresumsatz 300 Millionen Mark) war der bis dahin größte Konkurs
in der Baubranche der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg! 3500 Arbeiter und Angestellte verloren ihren Arbeitsplatz.
Auch die Düsseldorfer Bau-Kredit-Bank, die sich noch kurz vorher gerühmt hatte, Deutschlands
größtes Spezialunternehmen für Bauzwischenfinanzierungen zu sein, wurde in den Konkurs
hinein- gezogen. Das Geldinstitut war mit 45% an der Kun GmbH beteiligt und geriet in Zahlungsschwierigkeiten,
weil sie der Kun-Gruppe allzu großzügig Kredite gewährt hatte. Obwohl die 18 Kun-Firmen
zusam- men nur über ein Stammkapital von 40 Millionen Mark verfügten, standen sie bei ihrer
Hausbank zuletzt mit 116 Millionen Mark in der Kreide. Jetzt musste auch für die Hausbank ein
Liquidationsverfahren eingeleitet werden.
In fünf Jahren Bauboom hatten Westdeutschlands Baulöwen im Schlepp der Inflation mit Umsätzen
und Preisen gewuchert. Einer der größten war Josef („Jupp“) Kun aus Homberg, gelernter Maurer
und angelernter Herrenreiter, der über einen Stall mit 36 Pferden, darunter den olympischen
Goldmedaillen-Wallach Askan gebot und 800 Wasser- vögel besaß. 1971 hatte er in seinen Unternehmen noch
4200 Leute beschäftigt, hatte Aufträge für 2,6 Milliarden Mark in den Büchern und
verfügte über 3,6 Millionen Quadratmeter Bauland. Schon damals hatte Kun wiederholt mit
Liquiditätsengpässen zu kämpfen, konnte sich jedoch im Boom durch neue Aufträge immer
wieder neue Mittel verschaffen. Die 1973 inzwischen bis auf 15 % gestiegenen Hypothe- kenzinsen, allgemeine
große Leerstände, der schleppende Absatz von Kun-Wohnungen und die Verweigerung neuer Bankkredite
ließen die Schulden der Bauträger-Gruppe dann ins Unermeßliche steigen und führten
zum Zusammenbruch. Im Gegensatz zu späteren Jahren (z.B. beim Holzmann-Konkurs) griff die Politik
damals nicht ein. Hans Friedrichs, Wirtschaftsminister der SPD/FDP-Regierung unter Bundes- kanzler Willy Brandt,
meinte, "wenn die unsolide finanzierten Unter- nehmen in einer solchen Phase auf die Nase fallen, ist das durchaus
im Sinne unserer Politik". Das Bonner Kalkül: Falls noch mehr Bauträger durch die Hochzinspolitik
zur Geschäftsaufgabe gezwungen werden und noch mehr teure Wohnungen und Büropaläste leer
stehen, werde das Angebot auf den Markt drücken und die preistreibende Bau- und Investitionslust
dämpfen. (DER SPIEGEL 1973 Nr. 28, 29 [mit 3 Fotos von Oberilp-Baustellen], 36 und 42).
Doch zurück in das Wohngebiet Oberilp. Ein Bewohner an der Gruben- straße hatte mittags in
den Nachrichten von der Konkursanmeldung gehört. Er erinnert sich noch lebhaft daran, dass eine
Stunde später das Baugebiet von Autolärm erfüllt war. Überall holten Handwerker der
Ausbau-Gewerke aus den noch nicht übergebenen Häusern bzw. von den Baustellen von ihnen gelieferte
und auch teilweise schon montierte Materialien wie z. B. Waschbecken, Toilettentöpfe, Badewannen ab, um
sie angesichts ihrer offenen Rechnungen aus der Konkursmasse zu retten. Auch hier sperrte die Stadt
Heiligenhaus unverzüglich die Bau- stellen, weil die restlichen Erschließungsarbeiten zunächst
nicht mehr gewährleistet waren. Diese vom Baugesetz vorgeschriebene Maßnahme führte zu
Konflikten mit zahlreichen Bauherren.
Die bereits in ihre Häuser eingezogenen Käufer gingen aus dem Kon- kurs wohl ohne finanziellen
Schaden hervor. Das Amtsgericht Velbert bestätigte ihnen kurzfristig die Eigentumsübertragung
im Grundbuch. Ohne finanziellen Schaden blieben auch diejenigen Käufer von noch unfertigen Häusern,
die noch keinerlei Zahlungen geleistet hatten. Soweit es sich heute recherchieren lässt, sollen jedoch
sechs Käufer, die je nach Baufortschritt schon Zahlungen ohne Eigentumsübertra- gung geleistet hatten,
Geld verloren haben. In einem Fall wird sogar von DM 150.000 gesprochen! Bei ihnen saß der Schock
tief. Als neuer Erschließungsträger investierte Herr Kohlhoff in Verbindung mit der Bau- und
Bodenbank Essen DM 300.000, die die Stadt zur Fertig- stellung der Straßen verwenden wollte. Die 47
noch unfertigen Häuser bzw. Baustellen erwarb die Deutsche Bau- und Bodenbank Essen aus der Konkursmasse.
Sie übernahm die Finanzierung, Verkauf und Fertigstellung übernahm Architekt Kohlhoff. Alle
Häuser dieses 3. Bauabschnitts wurden vertragsgemäß zu Festpreisen und mit voller
Gewährleistung fertiggestellt. Bis auf das Musterhaus in der Eifelstraße waren die Häuser
bis September 1974 bezogen.
Für die Einfamilienhäuser hatte die David KG von der Robert Bosch eine Gemeinschaftsantennenanlage
für Fernseh- und Radioempfang errichten lassen. Ende 1974 bildeten die Bewohner der Häuser
eine "Antennengemeinschaft" und schlossen Wartungsverträge mit Bosch ab. Durch diese weitsichtige
Planung ist das Wohngebiet Oberilp-Nord lange Jahre vor der negativen Optik eines Antennenwaldes oder einer
Unzahl von Satellitenschüsseln bewahrt geblieben.
Ein Histörchen am Rande. Im Sommer 1972 begann ein Bewohner vom Odenwaldweg als Nebenerwerb mit dem
Verkauf von Flaschenbier, anfangs vor allem an die im Gebiet beschäftigten Bauarbeiter und Handwerker.
Das Geschäft entwickelte sich gut. Auch Nachbarn bedienten sich bald dieser nahen Quelle. Selten
jedoch brachten die Arbeiter die leeren Flaschen nach Feierabend zurück. Rasch entdeckten die vielen
Kinder die Möglichkeit, hierfür das Pfandgeld zu kassieren. "Doch wären die Kinder nicht auch
potentielle Käufer, z. B. von Eis?", fragte sich der Verkäufer. Von der Idee war es nur ein
kurzer Schritt, die Gefriertruhe mit abgepacktem Eis zu füllen und die Kinder auf das erweiterte
Angebot aufmerksam zu machen. Dieser "Wirtschafts- kreislauf" funktionierte zur Zufriedenheit aller bis Ende
1974, als die Bauarbeiter und Handwerker mehr oder weniger nach Abschluss der Arbeiten das ehemalige
Baugebiet verlassen hatten und zugleich die Läden am Edeka-Platz den täglichen Bedarf inzwischen
in großer Vielfalt anboten.
Das kleine Geschäftszentrum am Edeka-Platz wurde im Jahr 1974 weiter ausgebaut. Neben der West-Apotheke
eröffnete im Frühjahr in der Hunsrückstraße 31 Malermeister Schmidt sein Geschäft
für Tapeten, Farben, Lacke und ein Schreibwarensortiment für den Schulbedarf. Noch im gleichen
Jahr folgten in Hunsrückstraße 37 die Bäckerei Ten Eicken und die Oberilp-Reinigung. Am 14.
April 1975 eröffnete die Sparkasse ihre Filiale in der Hunsrückstraße 35 und ebenfalls 1975
wurde das Haus Hunsrückstraße 39 fertig, in dem schon bald die Familie Witalis ein jahrelang
beliebtes Eiscafe betrieb und abends eine Gaststätte (heute "Zappes“) ihre Tore öffnete. Der
Edeka-Platz wurde ein belebter Treffpunkt der Oberilper Bürger.
Hinsichtlich der Beheizung der Wohnungen/Häuser hatte sich die Stadt Heiligenhaus vom RWE für
ein Modellprojekt gewinnen lassen: das gesamte Wohngebiet Oberilp wurde mit
Elektro-Nachtsstrom-Fuß- bodenspeicherheizung ausgestattet. Die Heizungen heizten nachts zu einem
günstigen Niedertarif
auf, und gaben die gespeicherte Wärme tagsüber ab. Da eine Fußbodenheizung nicht so heiß
aufgeladen werden kann wie ein Elektro-Ofen, gab es mittags noch eine um 2 Stunden verlängerte
vierstündige Nachladezeit zum Niedertarif (infolge der Einzähler-Messung für den
gesamten Stromverbrauch einschließlich des Haushaltsstroms). Die Bewohner sollten in einem
modernen Stadtteil leben, wartungsfrei und umweltfreundlich ohne Kohle, Öl oder Gas heizen. Der
Vorteil solcher Großprojekte für das RWE lag in der Möglichkeit, die Täler im
Stromverbrauch nachts auszugleichen und damit zu einer kontinuierlicheren Auslastung der Kraftwerke
beizu- tragen. Die Kraftwerke liefen Tag und Nacht und mussten den Strom sofort ins Netz abgeben, denn Strom
kann nicht gespeichert werden. In den 70er Jahren basierte das RWE seine Stromerzeugung vor allem auf
dem rheinischen Braunkohlenrevier. Der Steinkohle-Anteil war deutlich geringer und die Kernkraft stand noch
am Anfang. Fazit im Jahr 2005: Selbst wenn der Strompreis im Gegensatz zum Gaspreis bis heute nicht direkt
an den Ölpreis gekoppelt ist, hat auch er inzwischen für den Haushaltskunden trotz Liberalisierung
historische Höchststände erreicht. Neben den energiepolitisch bedingten Strompreiserhöhungen
haben auch die gestiegenen Primärenergiepreise die Strompreise massiv beeinflusst. Von 1998 bis Ende
2004 haben sich die Rohölpreise bei Fakturierung in Euro mehr als verdoppelt. Dementsprechend sind auch
die für die Stromerzeugung bedeutsameren Importpreise für Erdgas bereits um mehr als 50% gestiegen.
Der Weltmarktpreis für Steinkohle hat sich fast im gleichen Ausmaß erhöht. (Orientierungen
zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 102)