Reihenhäuser Harz- und Eifelstraße
Frühjahr und Sommer 1972 (Foto Wenger)

Die Siedlungsgeschichte der Oberilp

Von Gerhard Bechthold

Abschließender 5. Teil: Ein Stadtteil im Wandel


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Modernisierung der Bausubstanz

Ende der 70er Jahre begannen die ersten Eigenheim-Besitzer, ihre verputzten Häuser mit ansprechenden Fassadenverkleidungen auszustatten. Die Beispiele machten Schule, und zahlreiche Besitzer folgten in den kommenden Jahren. 1982 führte die Baugemeinschaft Heiligenhaus (heute Sahle Wohnen) eine große Modernisierungsmaßnahme bei ihren mehrgeschossigen Häusern durch. Mit einem Investitionsvolumen von 3,86 Mio DM wurden Fassaden und Dächer mit einer speziellen Wärmedämmung versehen. Alle Häuser erhielten Isolierglasfenster und im Rahmen der Fassaden-Neugestaltung wurden die Häuser verklinkert! Die Modernisierung hatte Vorbildcharakter und veranlasste weitere Immobilienbesitzer, in Erhaltung und Verbesserung ihrer Wohnanlagen zu investieren. In einigen Häusern wurden die Mietwohnungen auch in Eigentumswohnungen umgewandelt. Das ganze Wohngebiet erfuhr eine Aufwertung und verlor den anfangs uniformen und tristen Charakter. Inzwischen waren auch die Grünbepflanzungen gewachsen, und eine neue Straßenbeleuchtung trug zu einem freundlichen Straßenbild bei. 1989 koppelte sich die Baugemeinschaft von der Elektro-Fußbodenspeicherheizung und der Strombelieferung durch das RWE ab und errichtete für Heizung und Warmwasserversorgung ein eigenes, vollautomatisches Blockheizwerk. Die unterirdische Anlage mit einem Kohlebunker mit 50to Fassungsvermögen versorgt 5 Hausblöcke mit 150 Wohnungen, deren Badezimmer gleichzeitig modernisiert wurden.

Der Niedergang des Wohnblocks Rhönstraße 10/12

Wie konnte es dagegen geschehen, dass sich der achtgeschossige Komplex Rhönstraße 10/12, heute entmietet und zum Abriss anstehend, zu einem "Schandfleck" der Oberilp entwickelte? Bei der Fertigstellung 1972/73 hatten die 88 schön geschnittenen Maisonette-Wohnungen über 2 Etagen ausgesprochenen Modell-Charakter! Es gab Wohnungen in verschiedenen Größen, darunter große Wohnungen für Großfamilien. Es waren allerdings teure Wohnungen. Nach dem Verkauf durch die Firma Rheinmetall wechselte das Objekt in der Folge häufiger den Besitzer. Was letztlich den Anstoß für den Niedergang gab, ist wohl nicht nur einem Grund zuzuschreiben. Weil die Wohnungen aus Preisgründen zunehmend schwieriger zu vermieten waren, wurden sie dem Sozialamt zur Belegung angeboten. Das Sozialamt zahlte alles, diese Mieten waren sicher. So wurde von der Stadt u.a. etwa 1978/79 eine Gruppe von "Problemfällen", so wie sie im Städtischen Übergangsheim in den Schlichtbauten an der Ulmenstraße nebeneinander gewohnt hatten, in die 5. Etage von Rhönstraße 12, wieder nebeneinander, eingewiesen. Hätte man nicht vorhersehen können, dass hiervon kein positiver Einfluss auf das Umfeld ausgehen würde? Von einem nicht mehr nachvollziehbaren Zeitpunkt an investierten die Besitzer kaum noch in Wartung und Unterhaltung des inzwischen abgewirtschafteten Gebäudes. Es baute sich ein Sanierungs- und Renovierungsstau auf. Zuletzt war in vielen Wohnungen die Heizung nicht mehr regelbar. Sie konnte nur noch ein- oder ausgestellt werden. Als der letzte Eigentümer in Konkurs ging und keine Besserung der vielfältigen Probleme mehr zu erwarten war, beschloss die Stadt 1999 in einem "Runden Tisch", die Wohnungen nicht mehr zu belegen, und begann mit der Entmietung der Immobilie, die sie 2005 ersteigerte. Mitglieder der BGO sammelten und entsorgten Ende 2004 in zwei Aktionen containerweise den hinterlassenen Müll der ausgezogenen Bewohner.

Zwei Maßnahmen der Stadt Heiligenhaus verbesserten die Anbindung der Oberilp. Ende 1980 wurde die Fußgängerbrücke über die Ruhrstraße fertiggestellt. In elegantem Bogen verband sie die beiden benachbarten Stadtteile Unter- und Oberilp. Von nun an entfiel das Überqueren der stark befahrenen Ruhrstraße in der trotz Ampel unübersichtlichen und gefährlichen Kurve bei der Jagdhütte. Außerdem schloss die Stadt 1979 einen Gestattungsvertrag zur Nutzung des Bahndamms, wo dann in der ersten Jahreshälfte 1980 der Wanderweg von der Talburgstraße bis nach Hösel angelegt wurde. In Verbindung mit der Fußgängerbrücke wurde dieser schöne Wanderweg für die Unter- und Oberilper auch der kürzeste, autofreie Fußweg in das Stadtzentrum. Brücke und Wanderweg sind inzwischen nicht mehr wegzudenken.

Die Oberilper "Wasserspiele"

Ab Beginn der 80er Jahre trat zunehmend ein Phänomen auf, das für zahlreiche Bewohner der tief gelegenen Einfamilienhäuser in Oberilp-Nord zu einer gravierenden Einschränkung der Wohnqualität führte. Bei Unwettern mit extremen Regen- oder Hagelniederschlägen innerhalb kurzer Zeit konnten die Abwasserkanäle die Niederschlagsmengen nicht mehr aufnehmen. Kanaldeckel wurden hochgedrückt und Wassermassen strömten unter Mitführung von Schmutz und Schlamm in die tiefergelegenen Gebiete, wo sie Keller, Gärten und auch Wohnräume überfluteten. Es gab Gärten, in denen stand das Wasser mehrfach 55 cm hoch! In Heiligenhaus erfolgt die Entwässerung im sog. Mischsystem. Dabei werden das häusliche Schmutzwasser und das Regenwasser von Dachflächen und befestigten Flächen gemeinsam über einen Anschlusskanal abgeführt. Bei Starkniederschlägen wurde durch den Rückstau in Einzelfällen auch das häusliche Schmutzwasser hochgedrückt! Es entstanden Szenen und Schäden, wie sie von den fast jährlichen Hochwassern an Rhein und Mosel bekannt sind, jedoch mit dem Unterschied, dass die Oberilper unvorbereitet waren und sich praktisch nicht davor schützen konnten. In den 80er und 90er Jahren traten derartige Ereignisse immer häufiger auf. Der Leidensdruck der betroffenen Bewohner wurde zusehends größer und der Ruf nach Hilfe durch die Stadt lauter. Was war die Ursache für die Überschwemmungen? Die Vermutungen gingen von der weiträumigen Versiegelung des Stadtteils, seiner topographischen Lage, der Ansiedlung weiterer Betriebe im benachbarten Gewerbegebiet mit zusätzlicher Flächenversiegelung bis zu erhöhtem Wasserverbrauch durch Betriebserweiterungen. Oder waren die Mischwasserkanäle, die abschnittsweise in den Jahren 1965 bis 1973 gebaut worden waren, nicht ausreichend dimensioniert worden? Auf den Weiden von Helmut Bernsau hatte es derartige Überschwemmungen nie gegeben. Zum einen nehmen Weiden Wasser gut auf und halten es. Andererseits hatten die Oberilper Böden während der landwirtschaftlichen Nutzung noch eine andere Qualität und waren nicht versiegelt.

Für das Niederschlagswasser im Gebiet der Stadt Heiligenhaus sind zwei Wasserverbände zuständig, im Norden der Ruhrverband und im Süden der Bergisch-Rheinische Wasserverband (BRW). Zu den Aufgaben der Wasserverbände gehört u.a., die fließenden Gewässer zu unterhalten und die Wasserführung durch Bau und Wartung von Hochwasserrückhaltebecken auszugleichen. Den Städten obliegt in den bebauten Zonen die Einleitung von Niederschlags- und häuslichem Abwasser in das Kanalsystem. Kommunen und Wasserverbände arbeiten eng zusammen. In Heiligenhaus als teilweisem Überlapppungsgebiet mit dem Ruhrverband ist für Gewässerunterhaltung und Ausgleich der Wasserführung allein der BRW zuständig. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Schitthelm, Geschäftsbereichsleiter Gewässer des BRW, ergab wichtige Hinweise. 1996/97 wurde für alle zukünftigen Siedlungen eine EU-Niederschlagsnorm eingeführt. Für ältere Siedlungen (wie die Oberilp) gelten weiter die alten Kriterien und Bemessungsregeln, wonach ein Kanal 1 x pro Jahr überlaufen darf. Die Auslegung der Kanalnetze ist sonst zu teuer. Im Planungsverfahren wird jedoch der Rohrdurchmesser zur Sicherheit als Komfortlösung so ausgelegt, dass bezogen auf den Endausbau des Siedlungsgebietes der Kanal im Mittel nur alle 5 Jahre überlaufen darf. Die Versiegelung der Wohngebiete wird von vornherein mit eingeplant. Bei Gewerbegebieten ist eine Versiegelung von 80% zu berücksichtigen.

Messungen haben jedoch Veränderungen bei den Niederschlagsmengen in unserer Region ergeben. In den letzten 20 Jahren sind 5-10% mehr Regen im Jahresdurchschnitt gefallen. In den letzten 12 Jahren hatten wir 9 Nassjahre mit 10% mehr Niederschlag als der normale Mittelwert aus der langjährigen Aufzeichnung. Einige Jahre waren sogar extreme Nassjahre mit 15% mehr Niederschlag. Diese Entwicklung führt grundsätzlich zu einer Anhebung des Grundwasserpegels. Die Situation wird jedoch drastischer, weil es einmal kürzere Ereignisse sind, d. h. massierte Niederschläge in kürzerer Zeit, und weil die Niederschläge im Winter kaum noch als Schnee erfolgen, der länger liegenbleibt, sondern als Regen, der sofort in Bewegung kommt. Regenwetter kann im Mischsystem zu einem bis zu 200fachen Durchsatz führen! Als Folge des Klimawandels erwartet Prof. Schitthelm, dass Hochwasser ein immer häufigeres Ereignis wird.

Nachdem auch im Bereich der Ruhrstraße oberhalb der Talburg bei Starkregen immer wieder Unterspülungen der Fahrbahn erfolgten und Schlamm und Geröll auf die Straße geschwemmt wurden, erstellte die Stadt im Jahr 2002 einen General-Entwässerungsplan für den Norden von Heiligenhaus. Durch hydraulische Berechnungen nach geltender EU-Norm wurden Engpässe und Verbesserungsmaßnahmen ermittelt. Anschließend wurde der Mischkanal in der Oberilp 2003/04 vom Ende der Grubenstraße bis in die Weilenburgstraße hinein in 9-monatigen Arbeiten erneuert und der Durchflussdurchmesser von 400 auf 800 mm verdoppelt (Bausumme ca. 0,5 Mio EURO). Zur Freude der Anwohner hat das neue Kanalsystem bisher bei Regenfällen seine Feuerprobe bestanden.

Neben der BGO muss ein weiteres gemeinnütziges Engagement Oberilper Bürger und Förderer aus ganz Heiligenhaus erwähnt werden. 1988 wurde der Förderverein für Kinder und Jugendliche in Oberilp e. V. gegründet. Er unterstützt seither Aktivitäten, die Kindern und Jugendlichen in der Oberilp zugute kommen, sowohl durch eigene Angebote als auch durch finanzielle Unterstützung von Schule, Spielhaus und Kindergarten. Außerdem ist der Förderverein Träger und Initiator von Modellprojekten, wie z.B. der Sprachförderung und Sozialraumanalysen. Die Mittel für seine Aufgaben erhält der Verein durch Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus eigenen Veranstaltungen, Geld- und Sachspenden und sonstige Zuwendungen.

Tausende Ilper ohne Nahversorgung

Die 90er Jahre brachten den an eine bequeme tägliche Nahversorgung gewohnten Oberilpern einschneidende Veränderungen. Nachdem Bäckermeister Horst Ten Eicken seine Oberilper Filiale schon Ende der 80er Jahre geschlossen hatte, schloss 1990 das Malereifachgeschäft Schmidt. Am 31. Dezember 1993 schloss das Edeka-Geschäft und Mitte 1998 die West-Apotheke. Diese alteingesessenen Geschäfte hatten auch für die Belebung des kleinen Einkaufszentrums geführt. Nachfolger waren, u.a. wegen fehlender Parkplätze, nicht zu finden, Geschäftszentrum und Platz verödeten! Als im Oktober 1999 auch der Edeka-Markt in der Unterilp seine Pforten schloss, blieb für alle Ilper als einzige Einkaufsmöglichkeit in der Nähe nur Aldi an der Weilenburgstraße. Im Mai 2002 eröffnete Cafer Oelmez in der Hunsrückstraße 39 ein Geschäft mit einem Sortiment um Obst und Gemüse. Jetzt kehrte auch wieder etwas Leben auf den Europaplatz zurück.

Das nachhaltige Engagement
von Bürgern und Stadt bringt Erfolg

Trotz Spielhaus, Gemeindezentrum/Kindergarten, Gemeinschaftsgrund- schule und BGO trat die Problematik des hoch verdichteten Stadtteils immer deutlicher hervor. Die BGO plädierte bei Rat und Verwaltung für eine stadtteilbezogene Sozialarbeit, wofür Herr Langmesser, der seit 1987 das Spielhaus leitete, ein Konzept vorlegte. Mit Zustimmung von Rat und Verwaltung wurde 1990 in den Räumen des früheren Malergeschäfts Schmidt ein AWO-Bürgertreff eingerichtet, anfangs mit der Ausgabe von Mittagessen und Schulbetreuung von Kindern. Hieraus hat sich inzwischen unter der engagierten und kompetenten Leitung von „Duffy“ Langmesser und in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt die "Stadtteil Sozialarbeit Oberilp" entwickelt. Ihre Aktivitäten: erste Anlaufstelle der Bewohner bei Problemen, Bürgertreff, Bürgerberatung zu aktuellen Themen, Impulsgeber für die Stadtteilentwicklung, Steuerung von Förderprojekten sowie Vernetzung und Koordination aller sich im und für den Stadtteil engagierenden Kräfte in den seit 15 Jahren stattfindenden Stadtteilkonferenzen. Die Schaffung und Besetzung dieses Teams hat sich als Glücksfall für die Oberilp herausgestellt!

Analog zu dem heutigen Architekturkonzept "Hochwertiges für die Innenstadt" engagiert sich die Stadt seit den 90er Jahren in einer neuen Qualität für die Oberilp. An der Neugestaltung des Europaplatzes (er erhielt diesen Namen 1990) wurden die Bürger in mehreren öffentlichen Foren beteiligt. In der ganztägigen Veranstaltung OPEN SPACE im März 2004 entwickelten Verwaltung, Architekten und Bürger gemeinsam in einem moderierten Brainstorming "Ideen für unser Oberilp". Im Juni 2004 erschien die von Prof. Metzger-Pregizer (Universität Duisburg-Essen) im Auftrag des Fördervereins für Kinder und Jugendliche in Oberilp e.V erstellte erste Sozialraumstudie Oberilp. Sie gab wichtige Aufschlüsse und Handlungsempfehlungen. Und jetzt wurden Ideen auch umgesetzt.

Im jahrelang leerstehenden Edeka-Bau wurde mit dem Ilper-Markt-Treff ein neuer Versuch gestartet. Der Eingangsbereich der Schule ist neu und offener gestaltet. Die für die gesunkenen Schülerzahlen nicht mehr benötigten 2 Schulpavillons sind abgerissen. Hier wird ein Schulgarten entstehen. Ein neues Gebäude für die Offene Ganztagsschule (OGATA) ist inzwischen bezogen. Die Finanzierung erfolgt u.a. durch Fördermittel des Programms LOS (Lokales Kapital für soziale Zwecke), ein Modellvorhaben des Bundes und des Europäischen Sozialfonds.

Im Zusammenwirken von Institutionen und dem ehrenamtlichen Engagement von Oberilper Frauen und Männern ist in Jahren ein Modellprojekt entstanden, das in Heiligenhaus beispielhaft ist. Sechs Säulen - alle in der Oberilp selbst angesiedelt - tragen und fördern den Stadtteil: das pädagogisch betreute Spielhaus, die Gemeinschaftsgrundschule, das evangelische Gemeindezentrum mit Kindergarten und Hort, das Team der Stadtteilsozialarbeit, seit 31 Jahren die Bürgergemeinschaft Oberilp (BGO) und seit 17 Jahren der Förderverein für Kinder und Jugendliche in Oberilp e.V. Es gibt noch viel zu tun, doch befindet sich die Oberilp nicht auf dem Weg zu einer Erfolgsgeschichte? Hätten wir je geglaubt, dass die RHEINISCHE POST in Verbindung mit Entwicklungen im Nonnenbruch einmal titeln würde „Vorbild Oberilp“? (RP 16.12.2005 Seite B3). Nachdem der Komplex Rhönstraße 10/12 abgerissen ist, bietet das fast 8000 qm große Grundstück die einmalige Chance, auch das äußere Bild des Stadtteils deutlich aufzuwerten!

Ein herzlicher Dank an alle, die diese Serie mit Informationen bereichert haben.

Stand: Aktualisierung August 2006

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